Unser Projekt ist in verschiedene Arbeitspakete (APs) unterteilt. Mit unterschiedlichen Methoden untersuchen wir verschiedene Aspekte und Sichtweisen, um ein möglichst umfangreiches Bild von Stigmatisierungsprozessen während der Corona-Pandemie zu erhalten.
AP 1: Perspektive der Betroffenen
In diesem Arbeitspaket wird untersucht, wie Menschen persönliche und öffentliche Stigmatisierung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlebten. Es werden die wahrgenommenen Risikofaktoren und Schutzfaktoren für Stigmatisierung diskutiert und die psychologischen, sozialen und beruflichen Folgen reflektiert. Das Ziel besteht darin, ein Arbeitsmodell des Health Stigma Discrimination Framework (Ransing et al., 2020; Stangl et al., 2019) für die Corona-bedingte Stigmatisierung in Deutschland zu entwickeln. Dieses Modell soll die internationale Forschung validieren und Möglichkeiten für Interventionen identifizieren. Die Datenerhebung wird durch Fokusgruppen und Einzelinterviews durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die gewonnenen Informationen werden für die Befragung (AP 4) und die Online-Studie (AP 6) sowie für die Entwicklung von Handlungsempfehlungen verwendet, insbesondere für die strategische Förderung von Anti-Stigma-Maßnahmen und -Forschung in Deutschland (AP 7).
Ziele
- das Erleben von Stigmatisierung der direkt und indirekt Betroffenen während der Corona-Pandemie erfassen
- die Interaktion von Selbststigmatisierung und öffentlicher Stigmatisierung abbilden
- das Health Stigma Discrimination Framework rekonstruieren und validieren
AP 2: Perspektive der Institutionen
Hier werden Vertreter*innen relevanter Institutionen der Anti-Stigma-Arbeit interviewt. Erfasst werden dabei in der Corona-Pandemie umgesetzte sowie aktuell und zukünftig geplante Anti-Stigma-Interventionen sowie deren Implementationsbedingungen eruiert. Zudem werden Bedarfe an Wissen und Kompetenzen auf Seiten der Institutionen ermittelt, die für eine zukünftige erfolgreiche Umsetzung erforderlich sind. Diese werden gemäß RE-AIM Framework (Glasgow et al., 1999) systematisiert.
Ziele
- Praxis der Anti-Stigma-Arbeit in der Corona-Pandemie erfassen
- Wirksame Anti-Stigma-Maßnahmen aus Sicht von Institutionen identifizieren
- Bedarfe an Wissen und Kompetenz zur nachhaltigen Umsetzung ermitteln
AP 3: Analyse von Anti-Stigma-Interventionen
Die durch Interviews aus AP2 identifizierten Anti-Stigma-Interventionen werden durch eine systematische Literaturrecherche ergänzt. Die Wirksamkeit der Interventionen wird anhand einer Meta-Analyse nach PRISMA (Moher et al., 2009; Page et al., 2021) geprüft. Als Ergänzung zur bisherigen Forschung wird dabei ein besonderes Augenmerk auf die Aspekte Intersektionalität und Double Stigma gelegt, die bislang nur unzureichend untersucht worden sind. Im Zuge der Meta-Analyse werden Botschaften, Komponenten und beschriebene Strategien der Einstellungs- und Verhaltensänderung der Interventionen charakterisiert, um Optimierungspotenziale für den RCT (AP 6) zu identifizieren. Eine Einordnung der Strategien wird nach der Behavior Change Taxonomy (Wood et al., 2015) vorgenommen.
Ziele
- Übersicht von Anti-Stigma-Interventionen in Deutschland schaffen (Systematische Literaturanalyse)
- Wirksamkeit von Anti-Stigma-Interventionen untersuchen (Meta-Analyse)
- Komponenten, Botschaften, beschriebene Strategien der Einstellungs- und Verhaltensänderung von Anti-Stigma-Interventionen analysieren (Inhaltsanalyse)
AP 4: Repräsentative Bevölkerungsbefragung
Im AP wird eine repräsentative Befragungen der deutschen Bevölkerung in drei Wellen durchgeführt. Untersucht wird die Prävalenz von stigmatisierenden Einstellungen, Double Stigma und intersektionalem Stigma im Kontext der Corona-Pandemie. Dies bietet eine Vergleichsgrundlage zu bisherigen, bevölkerungsrepräsentativen Umfragen zu (Double) Stigma in Deutschland, etwa bezüglich psychischer Erkrankungen und Soziodemografie (vgl. z. B. von dem Knesebeck et al., 2017). Zu diesem Zweck wird in jedem Jahr der Projektlaufzeit eine Befragung durchgeführt (je ca. n=1000 Personen), um Trends der Entwicklung von Stigmatisierungsprozessen abbilden zu können. Die Vorbereitung der Befragung wird u. a. durch die Fokusgruppen und Interviews mit Betroffenen aus AP1 unterstützt.
Ziele
- Prävalenz stigmatisierender Einstellungen in der deutschen Bevölkerung im zeitlichen Verlauf ermitteln
- Risiko- und Schutzfaktoren von Stigmatisierung sowie Determinanten öffentlicher Stigmatisierung identifizieren
AP 5: Erarbeitung zielgruppenspezifischer Instrumente
Durch eine systematische Literaturrecherche werden publizierte Messinstrumente identifiziert, die zur Erfassung stigmatisierender Einstellungen und Prozesse im Zuge der Corona-Pandemie genutzt und entwickelt worden sind. Die identifizierten Instrumente werden in einer Übersichtsarbeit nach PRISMA (Page et al., 2021) systematisch evaluiert. Diese Übersicht stellt eine Grundlage für die Bevölkerungsbefragung in AP 4 und die Evaluation der Interventionen in AP 6 dar.
Ziel
- Übersicht über validierte Messinstrumente zu stigmatisierender Einstellung und Prozessen im Kontext der Corona-Pandemie schaffen
AP 6: online-RCT zur Wirksamkeit optimierter Interventionen
Die identifizierten Interventionen werden vor dem Hintergrund der in AP 1 erarbeiteten Aspekte optimiert. Diese werden anschließend in einer Online-Studie als randomisierte kontrollierte Studie in verschiedenen Zielgruppen der Allgemeinbevölkerung untersucht. Die Erkenntnisse zur Wirksamkeit und den Optimierungsansätzen fließen in die Handlungs- und Kommunikationsempfehlungen (AP 7) ein.
Ziel
- Wirksamkeit von optimierten Anti-Stigma-Interventionen prüfen
AP 7: Handlungs- und Kommunikationsempfehlungen
Es werden Empfehlungen und Kommunikationsstrategieren entwickelt, die wesentliche Projekterkenntnisse und Perspektiven zusammenführen. Dies beinhaltet u. a. die Adaptation des HSDF für die deutsche Bevölkerung, die Dissemination wirksamer Interventionen und Kommunikationsstrategien für die Praxis, geeigneter Messinstrumente für die weitere Forschung und Trends stigmatisierender Einstellungen in der Bevölkerung sowie Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen zur langfristigen Gestaltung und Förderung von Anti-Stigma-Arbeit und Stigma-Forschung.
Ziele
- Handreichungen für Forschung, Praxis und politische Entscheidungsträger*innen zum Thema Stigma in pandemischen Lagen erstellen
- Projektergebnisse und Diskurse in der (Fach-) Öffentlichkeit disseminieren
Literatur
Glasgow, R.E., Vogt, T.M., Boles, S.M. (1999). Evaluating the public health impact of health promotion interventions: the RE-AIM framework. American journal of public health, 89(9), 1322-1327.
Knesebeck, O., Kofahl, C., Makowski, A.C. (2017) Differences in depression stigma towards ethnic and socio-economic groups in Germany – Exploring the hypothesis of double stigma. Journal of Affective Disorders.
Moher, D., Liberati, A., Tetzlaff, J., Altman, D.G. (2009). Preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses: the PRISMA statement. PLoS medicine, 6(7).
Page, M.J., McKenzie, J.E., Bossuyt, P.M., Boutron, I., Hoffman, T.C., Mulrow, C.D., Shamseer, L., Tetzlaff, J.M., Akl, E.A., Brennan, S.E., Chou, R., Glanville, J., Grimshaw, J.M., Hróbjartsson, A., Lalu, M.M., Li, T., Loder, E.W., Mayo-Wilson, E., McDonald, S.,…McGuinness, L.A. (2021) The PRISMA 2020 statement: an updated guideline for reporting systematic reviews. BMJ.
Ransing, R., Ramalho, R., de Filippis, R., Ojeahere, M.I., Karaliuniene, R., Orsolini, L., da Costa, M.P., Ullah, I., Grandinetti, P., Bytyçi, D.G., Grigo, O., Mhamunkar, A., El Hayek, S., Essam, L., Larnaout, A., Shalbafan, M., Nofal, M., Soler-Vidal, J., Pereira-Sanchez, V., Adiukwu, F. (2020). Infectious disease outbreak related stigma and discrimination during the COVID-19 pandemic: drivers, facilitators, manifestations, and outcomes across the world. Brain, Behavior, and Immunity.
Stangl, A.L., Earnshaw, V.A., Logie, C.H., van Brakel, W., Simbayi, L.C., Barré, I., & Dovidio, J.F. (2019). The health stigma and discrimination framework: a global, crosscutting framework to inform research, intervention development, and policy on health-related stigmas. BMC Medicine, 17(1), 1-13.
von dem Knesebeck, O., Kofahl, C., & Makowski, A. C. (2017). Differences in depression stigma towards ethnic and socio-economic groups in Germany–Exploring the hypothesis of double stigma. Journal of Affective Disorders, 208, 82-86. https://doi.org/10.1016/j.jad.2016.08.071
Wood, C. E., Richardson, M., Johnston, M., Abraham, C., Francis, J., Hardeman, W., & Michie, S. (2015). Applying the behaviour change technique (BCT) taxonomy v1: a study of coder training. Translational Behavioral Medicine, 5(2), 134-148. https://doi.org/10.1007/s13142-014-0290-z